05.03.2008
Das rätselhafte Blau der Maya
Schon die Herstellung des extrem haltbaren Farbstoffs hatte rituelle Bedeutung
Blau war für die Maya eine heilige Farbe. Brachten sie ihrem Regengott Chaak ein Menschenopfer dar, so färbten sie den Unglücklichen zuvor blau. Sie verwendeten dazu einen Farbstoff von einer selbst von der modernen Chemie kaum erreichten Beständigkeit. Dieses Maya-Blau ist mit dem Farbstoff Indigo eng verwandt, haben Analysen gezeigt. Die religiöse Bedeutung dieses Blaus reicht noch weiter als Wissenschaftler bisher glaubten: Bereits die Herstellung des Farbstoffs könnte ein ritueller Akt gewesen sein, sagen amerikanische Forscher.

In dem mit drei Beinen ausgestatteten Tontopf fanden die Wissenschaftler Spuren von Harz, Indigo und Palygorskit. Foto: John Weinstein/The Field Museum

Blau bemalt ist auch diese Figur, die von Maya-Künstlern in der Zeit zwischen den Jahren 600 und 900 hergestellt wurde. Foto: The Field Museum
Die Entdeckungsgeschichte des Maya-Blaus reicht über hundert Jahre zurück: Bereits Anfang des 20. Jahrhunderts hatten Forscher in der Ruinenstätte Chichén Itzá auf der mexikanischen Halbinsel Yucatán am Grund eines natürlichen Brunnenbeckens eine mehrere Meter dicke Schicht blaugefärbter Ablagerungen entdeckt. Darunter fanden sich Reste von Keramik, Schmuckstücken und die Skelette von mehr als hundert Menschen: die Überreste von Menschen, die an diesem Kultplatz geopfert worden waren. Auch fanden die Forscher in Chichén Itzá einen Altar, der blau eingefärbt war.
Die blaue Farbe, die offensichtlich bei rituellen Handlungen allgegenwärtig war, hatte die Jahrhunderte überdauert, seit die Maya um das Jahr 1500 die Kultstätten für immer verlassen hatten. Dieses Maya-Blau muss daher extrem lichtstabil und beständig gegen Oxidation und chemische Abbauprozesse sein. Wie es genau aufgebaut ist, fanden Chemiker jedoch erst nach vielen Jahren Forschung heraus.
Das Maya-Blau basiert auf dem Indigo-Pigment, das auch dem in der Alten Welt jener Zeit allgegenwärtigen Färbemittel seinen typischen Ton verliehen hat, ergaben die Analysen. Die Indigomoleküle werden bei dem Superfarbstoff jedoch mithilfe eines besonderen Verfahrens in die feinsten Kanäle eines Minerals namens Palygorskit eingebaut, was ihnen einen besonderen Schutz vor UV-Strahlung und anderen äußeren Einflüssen verleiht. So konnten die Maya den Farbstoff auch als Außenanstrich verwenden.
Dank dieser Beständigkeit war das Blau auch in den meterhohen Ablagerungen am Grund des heiligen Brunnens in Chichén Itzá erhalten geblieben. Nun glauben amerikanische Forscher, die sich seit vielen Jahren mit der Kultstätte befassen, in den Funden einen weiteren rituellen Aspekt des Maya-Blaus aufgespürt zu haben: Schon die Herstellung des Blaus aus Kopalharz, dem Mineral Palygorskit und den Blättern der Indigopflanze könnte ein ritueller Akt gewesen sein, vermuten sie. "Die Kombination dieser drei Materialien, von denen jedes für sich als Heilmittel verwendet wurde, hatte großen symbolischen Wert und rituelle Bedeutung", erklärt der Anthropologe Dean Arnold vom Wheaton College.
Arnold und seine Kollegen vom Field Museum in Chicago stützen ihre Hypothese auf Funde, die bereits seit Jahrzehnten in dem Museum lagern. So war in dem Brunnen in Chichén Itzá 1904 eine Tonschale entdeckt worden, die einen Harzklumpen mit Spuren von Palygorskit und Indigo enthielt. Die Forscher vermuten, dass in einer solchen Schale die drei Zutaten mithilfe von Feuer zu dem einzigartigen blauen Farbstoff verschmolzen wurden. Damit färbten die Mayapriester die Opfergaben und schließlich auch die unglücklichen Menschen ein, die getötet werden sollten, um den Regengott Chaak zu besänftigen. Dieses Ritual war extrem grausam, belegen Schriften aus dem 16. Jahrhundert: Die Opfer wurden auf einen Altar gebettet, wo ihnen bei lebendigem Leib das schlagende Herz herausgerissen wurde. (ud)