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31.08.2011

Der Ton der Farbe

Die Suche nach Analogien zwischen Farben und Musik beschäftigt Naturforscher und Künstler seit vielen Jahrhunderten

Farbgestalter sprechen von Farbtönen, Musiker von Klangfarben. Es gibt die Harmonie der Töne ebenso wie die der Farben. Es gibt Farbskalen genauso wie Notenskalen: Die Welt der Farben scheint eng verbunden mit der Welt der Töne und der Musik. Worauf jedoch diese Verbindung eigentlich beruht, darüber zerbrechen sich Philosophen, Naturwissenschaftler und Künstler seit Jahrhunderten die Köpfe. Heute wissen wir: Rein physikalischer Natur ist die Verbindung nicht – es sind allein der Mensch und seine Wahrnehmung, die beide Welten immer wieder aufs Neue zusammenführt.

Das für den Menschen sichtbare Farbspektrum umfasst nur eine einzige Oktave – ein winziger Bereich im Vergleich zum Bereich hörbarer Töne. Foto: boing, Photocase.com
Spektrum, Foto: boing, Photocase.com

Die Empfindung von Farbe beruht auf Licht, auf elektromagnetischen Wellen. Musik und Töne entstehen hingegen aus mechanischen Schwingungen. Beide Phänomene haben mit Wellen zu tun, doch während in der Tonwelt sicht- oder greifbare Materie schwingt, bewegen sich beim Licht elektrische und magnetische Felder in Wellen durch den Raum. Die Struktur der mathematischen Formeln, die beide Wellenphänome beschreiben, ist zwar weitgehend identisch, doch eine gemeinsame physikalische Grundlage gibt es nicht.

Auch der Aufbau von Farb- und Tonsystemen unterscheidet sich physikalisch grundsätzlich voneinander: Das sichtbare Licht umfasst Wellenlängen von etwa 400 bis 800 Nanometer, was einem Frequenzbereich von 375 bis 750 Billionen Hertz entspricht. Übertragen auf Töne und die Musik ist das gerade eine Oktave. Schon die 88 Tasten eines Klaviers umfassen mehr als 7 Oktaven, der Bereich, in dem Menschen hören können, umfasst sogar rund 10 Oktaven. Während die Musik also über ein riesiges Spektrum möglicher Wellenlängen verfügt, muss die gesamte Welt der Farbe mit einem winzigen Ausschnitt auskommen.

Zwischen den Stufen einer Tonleiter und einer Farbreihe gibt es jedoch weitere grundsätzliche Unterschiede: Die Frequenz eines Tones und die des nächsthöheren Halbtons stehen immer im gleichen Verhältnis. Das bedeutet, dass die Frequenzen auf einer Tonleiter nicht linear ansteigen, sondern logarithmisch. Im Frequenzverlauf des Lichtspektrums gibt es hingegen keine solche Aufteilung mit sich kontinuierlich verändernden Stufen. Die Farbe wandelt sich vielmehr in Sprüngen: Der schmale Wellenlängenbereich zwischen 550 und 650 Nanometern beispielsweise umfasst alle Farben zwischen Grün über Gelb und Orange bis hin zum Rot, Wellenlängen von 650 bis 800 Nanometern werden immer als Rot wahrgenommen.

Die Welt der Farbe und die Musik: Physikalisch haben sie nur wenig miteinander zu tun, doch der Mensch denkt bei Musik häufig an Farbe und umgekehrt. Foto: .marqs, Photocase.com
Farben, Foto: .marqs, Photocase.com

Ein wichtiges  Phänomen in der Musik lässt sich übrigens auch nicht auf Farben übertragen: Wird eine Melodie in eine andere Tonart versetzt, erkennt sie der Hörer dennoch wieder. Eine solche Verschiebung der Frequenzen würde in einem Gemälde jedoch nicht erkannt und verstanden werden.

Rein physikalisch betrachtet haben Farben und Musik also nur wenig miteinander zu tun. Dennoch haben die Menschen seit Jahrhunderten Analogien zwischen beiden Welten gesucht – meist angetrieben von dem Bestreben, im Aufbau der Welt eine höhere Ordnung mit allgemeingültigen Regeln zu finden. Schon Aristoteles versuchte, die als heilig geltende Zahl Sieben auch auf eine von ihm geschaffene siebenteilige Farbreihe von Weiß zum Schwarz anzuwenden. Isaac Newton, der als erster die Aufspaltung des Sonnenlichts mit einem Prisma in seine Spektralfarben untersucht hatte, teilte das Spektrum in Anlehnung an die siebenstufige Tonleiter in sieben Farben ein.

Neben der Zahl Sieben kam der Drei von jeher eine zentrale Bedeutung zu: Die Dur-Grundakkorde bestehen aus drei Tönen, und eine Ordnung aus drei Farben lässt sich durch Verdopplung zu sechs- und zwölfteiligen Farbsystemen ausbauen. Zwölf Stufen hat auch die chromatische Tonleiter, die alle Töne innerhalb einer Oktave umfasst. Von Johann Wolfgang von Goethe bis hin zum Bauhauskünstler Johannes Itten haben Naturforscher, Philosophen und Künstler Farbordnungen mit sechs und zwölf Stufen entwickelt und damit auch eine Analogie zum Tonsystem hergestellt.

Musiker haben von jeher versucht, mit ihrer Musik auch visuelle Eindrücke zu erzeugen. Foto: Gerti G., Photocase.com
Klavier, Foto: Gerti G., Photocase.com

Befeuert wurde die Suche nach Verbindungen zwischen Farbe und Musik durch die Entdeckung des Wellencharakters des Lichts. Während Newton noch geglaubt hatte, Licht bestehe aus Teilchen – eine Sichtweise, die mit der Quantentheorie später wieder aufgegriffen wurde – konnte der britische Arzt und Physiker Thomas Young Anfang des 19. Jahrhunderts erstmals beim Licht Welleneigenschaften nachweisen und sogar typische Wellenlängen messen.

Ungeachtet der Tatsache, dass es sich um völlig unterschiedliche schwingende Systeme handelt, haben Wissenschaftler auf Basis dieses Wissens immer wieder versucht, neue Zusammenhänge zwischen Farbe und Musik herzustellen. Eine der Ideen: Eine aufsteigende Oktavreihe, ausgehend vom Grundton C als Ausgangspunkt des klassischen Tonsystems. Bei jeder Stufe diese Reihe verdoppelt sich die Frequenz, bis schließlich eine Schwingungszahl erreicht ist, die beim Licht einer Farbe im sichtbaren Bereich zugeordnet ist. Im Fall des C als Ausgangspunkt des Tonsystems ist dies ein Grünton.

In der Musik werden zwei Töne als harmonisch zueinander empfunden, deren Frequenzverhältnis besonders einfach ist: Eine Quint beispielsweise besteht aus zwei Tönen, deren Frequenzen im Verhältnis von 2 zu 3 stehen, bei der großen Terz ist es 3 zu 4. Natürlich kann nach dem oben geschilderten Prinzip auch eine Quint oder eine Quart in Farbe dargestellt werden – die ursprüngliche Harmonie der Töne findet sich hier jedoch nicht wieder.

Auch wenn Naturforscher und Wissenschaftler mit ihren Versuchen, Farbe und Musik miteinander zu verbinden, somit meist gescheitert sind: Die menschliche Wahrnehmung stellt diese Verbindung fast schon spielend her – ist sie doch darauf ausgelegt, universelle Kategorien bilden. Wer Musik hört, die traurig und bedrückend wirkt, denkt an dunkle Farbtöne, die eine ähnliche Empfindung auslösen. Oder manche Farbkombinationen: Sie hinterlassen einen dissonanten Eindruck wie ein schräger Akkord. Am stärksten ausgeprägt ist diese Verbindung bei Synästhetikern, bei denen Töne oft sehr starke Farbassoziationen auslösen.

Die Verbindung von Musik und Farbe war und ist bis heute eine wichtiges Element der Kunst: Komponisten haben in ungezählten Werken Bilder und Farben in Töne umgesetzt, und in der bildenden Kunst gibt es eine Fülle von Ansätzen, Musik zu visualisieren. Genau hier – jenseits physikalischer Denkmuster – liegt die eigentliche Qualität der Verbindung von Farbe und Musik. (ud)