11.05.2016
Die blaue Stadt
Warum in der indischen Stadt Jodhpur tausende Häuser die Farbe Indigo haben
Wer in der indischen Stadt Jodhpur die Festung Mehrangargh besteigt, blickt in ein Farbenmeer. Doch das Auge kann sich nicht etwa an einem bunten Ozean erfreuen, sondern nur an einer einzigen Farbe: Blau. Es ist in Jodhpur ein uralter Brauch, die Häuser blau zu streichen. Die Stadt in der Provinz Rajasthan im Nordwesten des Subkontinents trägt daher auch den Beinamen "Blaue Stadt".
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Für indische Verhältnisse ist Jodhpur keine sonderlich große Stadt: Nur etwa eine Millionen Menschen leben dort. Ein Teil von ihnen entstammt der Kaste der Brahmanen, der höchsten Kaste. Ihnen war es einst vorbehalten, in blauen Häusern zu leben, als Zeichen ihres Standes. Als Farbstoff wurde Indigo verwendet, der einer Kalkfarbe zugemischt wurde.
Die Farbe soll neben ihrer statusprägenden Bedeutung auch einen praktischen Nutzen haben: Sie hält angeblich Insekten ab – eine Legende, wie Wissenschaftler heute längst herausgefunden haben. Andere behaupten, das Blau wirke kühlend auf die Häuser, was natürlich ebenso Unsinn ist. Denn ein weißes Gebäude wirft mehr der einfallenden Sonnenenergie zurück als ein blaues.
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Dem Zauber, den die Stadt Jodphur bis heute auf ihre zahlreichen Besucher ausübt, tut das freilich keinen Abbruch: Blau, wohin man blickt, gerade in der von einer zehn Kilometer langen Mauer umschlossenen Altstadt, über die die Stadt längst hinausgewachsen ist. Längst sind es nicht nur Brahmanen, die ihre Häuser blau streichen, sondern auch Hauseigentümer, die aus niedrigeren Kasten stammen. Statt des klassischen Indigo als Farbstoff wird heute Kupfersulfat verwendet, das der Kalkfarbe als Farbstoff beigemischt wird.
Traditionell werden die Haustüren hingegen in einem milden Grünton gestrichen, aber auch andere Farbtöne kommen selbstverständlich vor – ganz zu schweigen von den oft roten Saris der Frauen, die sich durch die engen Gassen der Altstadt bewegen. Jodphur ist als einziger Ort der Welt, als "Blaue Stadt" bekannt. Die indische Stadt teilt sich diesen Ruhm aber mit Chefchaouen – einem 40.000-Einwohner-Ort im Norden Marokkos, der manchmal auch als weiß-blaue Stadt bezeichnet wird. Auch hier sind viele Häuser der Altstadt blau – angeblich zum Schutz vor dem bösen Blick.