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13.09.2006

Farbenprächtiger Karneval am Korallenriff

Warum Fische mit bunten Farbmustern auffallen und sich gleichzeitig tarnen können

Korallenriffe gehören zu den buntesten und komplexesten Ökosystemen auf der Erde. Lange Zeit waren sich die Experten uneinig, ob die Farben der Korallenfische der Tarnung im farbigen Korallenriff dienen oder – wie Konrad Lorenz in den 60er Jahren vorschlug – der Werbung und Warnung. Neuere Forschungsergebnisse sprechen nun dafür, dass die Farbenpracht beiden Zwecken dienen kann, und das mitunter sogar gleichzeitig. Doch wie kann sich ein blau-gelb gestreifter Kaiserfisch oder ein orange-weißer Clownfisch in einem Korallenriff tarnen?

Die Welt der Korallenriffe ist bunt - doch für deren Bewohner sieht sie häufig ganz anders aus. Foto: PhotoCase.com
Die Welt der Korallenriffe ist bunt - doch für deren Bewohner sieht sie häufig ganz anders aus. Foto: PhotoCase.com
Clownfische können sich trotz ihrer auffälligen Färbung tarnen - ein scheinbarer Widerspruch, der sich jedoch aus der besonderen Wahrnehmung der Meeresbewohner erklärt. Foto: PhotoCase.com
Clownfische können sich trotz ihrer auffälligen Färbung tarnen - ein scheinbarer Widerspruch, der sich jedoch aus der besonderen Wahrnehmung der Meeresbewohner erklärt. Foto: PhotoCase.com

Um diesen vordergründigen Widerspruch zu verstehen, heißt es, sich in die Lage eines Korallenfisches zu versetzen und die Welt mit seinen Augen zu sehen. Denn die Kommunikation mit Farben bedeutet hier nicht nur die Muster und Farbenpracht der Tiere und ihres Lebensraums, sondern auch deren Wahrnehmung. Hier hält die Unterwasserwelt einige Überraschungen bereit, die dem Betrachter auf den ersten Blick entgehen.

Dank seiner Lage im flachen Wasser wird das Korallenriff reichlich mit Sonnenlicht bedacht, und dieses Licht ermöglicht überhaupt erst die Verständigung durch Farben. Erst im trüben Wasser oder in großen Tiefen, wo kein Sonnenlicht mehr vorhanden ist, geht auch alle Farbigkeit verloren. Auch in geringen Tiefen beeinflusst klares Wasser jedoch bereits das Lichtspektrum, indem es beispielsweise die roten Wellenlängen als erstes absorbiert. Die Augen von Korallenfischen, ihrer Räuber und Beute sind an diese speziellen Unterwasser-Bedingungen angepasst, und so sieht ein Korallenriff aus der Fischperspektive bedeutend anders aus, als eine Farbfotografie den Betrachter glauben machen will.

Die Farbsichtigkeit tagaktiver Korallenfische ist mitunter sogar feiner und vielfältiger als die menschliche. Zwar haben manche Korallenfische die Fähigkeit eingebüßt, Rot zu sehen, doch dafür haben sie die Blauwahrnehmung verfeinert und mitunter sogar in den ultravioletten Bereich ausgedehnt. Da die roten Wellenlängen im Wasser am stärksten absorbiert werden, sehen selbst rote Fische ab einer gewissen Tiefe grau aus – auch für das menschliche Auge.

Die Rotwahrnehmung ist also die am wenigsten nützliche Farbsichtigkeit unter Wasser. Da sie bei einigen Fischen – bei wie vielen genau ist noch nicht erforscht – im Lauf der Evolution verloren gegangen ist, kann sie rotsichtigen Fischen als eine Art Geheimkommunikation dienen: Was sich diese Fische in Rot auf den Körper zeichnen, ist für andere Fische unsichtbar. Gleichzeitig sind rötliche Fische vor den Augen ihrer Beute und Räuber besser verborgen, als das menschliche Auge vermuten lässt. Ähnlich steht es mit der Wahrnehmung ultravioletten Lichts: Forschungsergebnissen zufolge haben rund die Hälfte der Korallenfische die Fähigkeit, UV-Licht wahrzunehmen. Riffbarsche beispielsweise tauschen sich über ultraviolette Signale aus, aber ihre Räuber können die Zeichen nicht sehen.

Die Entfernung unter Wasser spielt eine weitere Rolle in der Kommunikation: Kurze Wellenlängen des Lichts werden besser gestreut als lange, und UV-Licht mit seinen extrem kurzen Wellenlängen hat daher nur eine kurze Reichweite, bevor das Signal sich zerstreut. Der Austausch über UV-Signale eignet sich also besonders für kurze Distanzen, wobei Fische aus der Entfernung nicht "lauschen" können.

Auch Streifen und Punkte, die aus der Nähe betrachtet grell und auffällig erscheinen, verschwimmen in der Ferne, sodass einzelne Fische nicht mehr auszumachen sind. Vor allem vor dem belebten Hintergrund des Korallenriffs lassen sich spezifische Farben und Muster nicht mehr ausmachen – wie beim Zebraeffekt geht das Individuum in seiner Umgebung unter. Die Komplementärfarben Blau und Gelb bieten einen weiteren Vorzug: Sie verschmelzen aus der Entfernung zu Grau. Ein blau-gelb gestreifter Kaiserfisch sieht daher aus der Ferne grau aus und sticht trotz seiner Farbigkeit nicht hervor.

Manche Fische bedienen sich außerdem aktiver Leuchtreklamen, die sie ein- und ausschalten können. So inszeniert beispielsweise ein Lippfisch-Männchen eine Minilasershow als Einladung zur Paarung, indem es blaue Neonstreifen an Körper und Flossen aufblitzen lässt. Auch kann ein Korallenfisch seine Wirkung durch die Wahl des Hintergrunds beeinflussen: Vor einem schlichten Hintergrund sticht der grell gefärbte Fisch hervor und kann sich als Partner zur Paarung anpreisen, doch vor einem kontrastreichen und unruhigen Hintergrund ist derselbe Fisch kaum auszumachen.

Hinter dem farbigen Karneval am Korallenriff steckt also mehr als bloße Eitelkeit – die Farbenpracht dient dem Informationsaustausch und der Deckung, mitunter sogar gleichzeitig. Je nach Situation und Farbgebung kann ein Fisch seine Dienste anbieten, einen Partner anlocken, vor seinem Gift warnen oder einen Gegner einschüchtern. Die Farbsichtigkeit seiner Kontrahenten und Verbündeten nutzt er für den eigenen Vorteil, manchmal sogar, indem er sich des Plagiats bedient: So imitiert beispielsweise der Falsche Putzerfisch in seiner Färbung den Gemeinen Putzerlippfisch und beißt seinen vermeintlichen Kunden, die eine Parasitenbeseitigung erwarten, Haut- und Flossenstücke ab.