11.08.2004
Farbwahrnehmung ist nicht angeboren
Studien an Affen zeigen: Fähigkeiten zur Farberkennung werden in der frühen Kindheit erlernt.
Die Fähigkeiten der Farbwahrnehmung werden in den ersten Lebensmonaten erlernt und sind nicht angeboren. Das hat ein japanischer Forscher in Versuchen an Affen herausgefunden. Die ersten Erfahrungen beim Sehen sind nach diesen Ergebnissen unerlässlich für eine richtige Entwicklung des Wahrnehmungsvermögens von Farben und der Fähigkeit der Farbkonstanz.
In seinen Experimenten zog der japanische Forscher Yoichi Sugity vier Affenbabys ein knappes Jahr lang unter wechselndem monochromatischem Licht auf: Wellenlängen von 465, 517, 592 und 641 Nanometern wechselte sich in zufälliger Reihenfolge jede Minute ab. So betrachteten die Tiere ihre Umgebung stets in einfarbigem Licht. Durch die regelmäßige Veränderung der Wellenlängen war jedoch gewährleistet, dass alle drei Zapfentypen in der Retina der Affen abwechselnd angesprochen wurden. Vier andere Tiere lebten bei Sonnenlicht und herkömmlichem Kunstlicht.
Wuchsen die Tiere mit dem monochromatischen Licht auf, konnten sie später Tests zur Beurteilung von Ähnlichkeiten zwischen Farben schwerer bewältigen als Artgenossen, die bei gewöhnlichem Licht groß geworden waren. Zwar konnten sie problemlos lernen, Helligkeitsunterschiede zu erkennen, doch begriffen sie nur sehr langsam, die dabei erlernten Regeln auch auf Aufgaben zur Farbunterscheidung zu übertragen. Im Gegensatz zu den mit gewöhnlichem Licht aufgewachsenen Tieren konnten sie verschiedene Farbflächen erst nach einem sehr ausführlichen Training voneinander unterscheiden. Dann schätzten sie die Farbtöne allerdings anders ein als die mit gewöhnlichem Licht aufgewachsenen Affen. Sie bildeten also andere Farbkategorien.
Auch bei der Fähigkeit der Farbkonstanz hatten die mit monochromatischem Licht aufgezogenen Tiere starke Defizite. Dank der Farbkonstanz werden Farben normalerweise unabhängig von der Beleuchtung immer gleich wahrgenommen – weiß ist immer weiß. Doch die unter den ungewöhnlichen Lichtbedingungen groß gewordenen Tiere beurteilten die Farben abhängig vom Umgebungslicht. Ihr Farbsehen wurde offenbar so stark von der Wellenlänge des Lichts bestimmt, dass sie Änderungen in der Beleuchtung nicht kompensieren konnten.
Auch nachdem sie neun Monate bei gewöhnlichem Licht gelebt hatten, hatten die mit der monochromatische Beleuchtung aufgewachsenen Affen nicht erlernt, die Defizite in der Farbwahrnehmung auszugleichen. Demnach scheint es während der Entwicklung eine kritische Zeitspanne zu geben, in der die Farbwahrnehmung erlernt werden muss, schließt Sugita aus seinen Beobachtungen.
Bislang war Forschern nicht eindeutig klar, ob die Fähigkeit zu Farbwahrnehmung und zur Farbkonstanz angeboren ist oder erst nach der Geburt erworben wird. Die Ergebnisse von Sugity legen nun nahe, dass die ersten Seherfahrungen dabei eine entscheidende Rolle spielen. Demnach können die Fertigkeiten nicht angeboren sein.