06.11.2013
Lila: der letzte Versuch
Schon Goethe schrieb vom besonderen Reiz des Violetten, auf den sich die bekannte Redensart bezieht
Schmeichelhaft ist es nicht gerade, wenn zwei Freundinnen über ein dritte sagen: "Lila: der letzte Versuch". Die solchermaßen Titulierte verspricht sich wohl durch ein violettes Outfit doch noch eine Chance auf Erfolg bei der Partnerwahl, ist damit gemeint. Der Ausspruch ist im deutschen Sprachraum weit verbreitet – wann und wie er entstanden ist, darüber lässt sich jedoch nur spekulieren.
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Violett war über Jahrhunderte hinweg eine der kostbarsten Farben überhaupt: Die Herstellung des Farbstoffs aus Purpurschnecken war so aufwendig und teuer, dass es nur den Reichsten überhaupt möglich war, Kleidung in Purpur zu tragen. Bei den Römern war Kleidung in dieser Farbe sogar bei Todesstrafe verboten – sofern der Träger nicht Senator oder ein anderer ranghöchster Vertreter des Reiches war.
Bis in die Neuzeit blieben Violett und Purpur Farben von besonderer Bedeutung: Es sind noch heute zentrale Farben der Kirchen. Katholische Bischöfe tragen Purpur, Violett ist die offizielle Farbe der Evangelischen Kirche in Deutschland. Violett und Purpur haben auch eine spirituelle Bedeutung, wie der Farbpsychologe Harald Braem in seinem Buch "Die Macht der Farben" ausführt: Sie verbinden das Rot als Symbol der Welt des Körpers mit dem Blau, das für die Welt des Geistes und des Himmels steht.
Diese Verbindung zweier Gegensätze könne sich auch auf die beiden Geschlechter beziehen, führt Braem weiter aus: "Auch das Geschlechtliche von Rot (männlich) und Blau (weiblich) wird im Violett aufgehoben." Als Grenzgänger außerhalb des genormten Rollenverhaltens wählten Homosexuelle und Transvestiten in manchen Ländern daher bewusst Violett als Erkennungsfarbe.
Lila ist nicht zuletzt auch die Farbe der Frauenbewegung, die sich ab den späten 1960er-Jahren in Deutschland formierte: Legendär ist das Klischee von der lila Latzhose, die nicht nur durch ihre Farbe eine Symbolik verbreitete. Allein die Tatsache, dass es sich um eine ursprünglich typische Arbeitskleidung für Männer handelte, konnte als politisches Statement gewertet werden.
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Jenseits all dieser Interpretationen stehen Lila und Violett immer auch für die geheimnisvollen und sinnlich-erotischen Seiten des Lebens. Violette Blüten wie Flieder, Lavendel und Veilchen können einen betörenden Duft verströmen. Im Jugendstil ist Violett eine zentrale Farbe, die in der typischen verträumt-verschlungenen Ornamentik auftaucht. Über die Sehnsuchtsschwere des Violetten schrieb schon Goethe in seiner "Farbenlehre": "So wie die Steigerung selbst unaufhaltsam ist, so wünscht man auch, mit dieser Farbe immer fortzugehen, nicht aber, wie beim Rothgelben, immer thätig vorwärts zu schreiten, sondern einen Punkt zu finden, wo man ausruhen könnte."
Genau hier – in der Bedeutung von Violett oder Lila als Zeichen einer sinnlichen Sehnsucht – könnte auch der Ursprung der Redensart "der letzte Versuch" liegen. Mit einer lila Bluse oder auch nur einem Accessoire in dieser Farbe könnte eine Frau zeigen, dass ihre erotischen Sehnsüchte eben noch nicht erloschen sind.
Der Ausspruch dürfte älter sein als die lila Latzhose, doch mit der Frage, wie alt er genau ist, haben sich Sprachforscher wohl noch nicht ernsthaft befasst. Sicher ist: Die potenzielle Wirkung von Violett war schon Goethe bewusst, denn in seiner "Farbenlehre" schrieb er weiter: "Deswegen es auch, wenn es als Kleidung, Band oder sonstiger Zierrath vorkommt, sehr verdünnt und hell angewendet wird, da es denn seiner bezeichneten Natur nach einen ganz besondern Reiz ausübt."