15.09.2004
Purpur: Farbe aus dem Meer
Der sagenumwobene Textilfarbstoff wird aus Schnecken in einem komplizierten Färbeverfahren hergestellt.
Legendärer Purpur: Kaum eine andere Farbe hatte im Lauf der Geschichte einen so hohen gesellschaftlichen Stellenwert. Häufig war sie Herrschern und anderen wichtigen Persönlichkeiten vorbehalten. So durften zum Beispiel im alten Rom nur der Imperator und die Senatoren Purpur tragen - letztere nur einen schmalen Streifen an der Toga. Wer dies missachtete, den erwartete die Todesstrafe. Kein Wunder: Purpur war und ist der teuerste Farbstoff überhaupt und wurde der Sage nach von einem Halbgott entdeckt.
Der Legende nach ist die Entdeckung des Purpurs eher einem Zufall zu verdanken als gezielter Forschungsarbeit. Der phönizische Halbgott Melkart soll gemeinsam mit der schönen Nymphe Tyrus am Strand des Mittelmeers spazieren gegangen sein, als sein Hund eine an Land gespülte Stachelschnecke fand. Das Tier zerbiss die Meeresschnecke und schien sich dabei an der Schnauze verletzt zu haben. Als Melkart jedoch das vermeintliche Blut mit einem Tuch abwischte, erwies sich der Hund als unverletzt.
Das Tuch aber erstrahlte in einer herrlichen Farbe, die Tyrus derart entzückte, dass sie ihren Geliebten bat, ihr doch ein ganzes Gewand in dieser prachtvollen, tiefvioletten Farbe zu schenken. Melkart machte sich unverzüglich an die Arbeit und erfand eine komplizierte Technik zum Färben von Stoffen.
Zusammen mit Indigo ist Purpur der älteste Textilfarbstoff. Die Wurzeln des Purpurs liegen wahrscheinlich tatsächlich bei den Phöniziern, die bereits etwa 1400 vor Christus in großem Umfang Stoffe mit Purpur färbten und auch regen Handel mit der wertvollen Ware trieben. Allerdings gibt es Vermutungen, dass ähnliche Techniken auch in China und auf Kreta entwickelt wurden – vielleicht sogar schon viel früher. Das Volk der Phönizier, das in der Gegend des heutigen Libanon lebte, war mit Sicherheit das berühmteste Färbervolk der Antike, und seine Purpurstoffe waren heiß begehrt. Davon zeugt auch der Name, den das Volk von den Griechen erhielt – er bedeutet soviel wie Purpurland. Eines der Zentren der Purpurfärbung war die Stadt Tyrus. Noch heute finden sich in der Gegend Hügel aus leeren Schneckengehäusen, die von der einstigen Purpurfärberei zeugen.
Den Grundstoff für Purpur liefern Meeresschnecken, die größtenteils der Gattung Murex angehören. Alle produzieren ein ganz bestimmtes Sekret in ihrer Hypobranchialdrüse. Eigentlich dient der Schleim den Purpurschnecken zur Reinigung ihrer Mantelhöhle, doch zeigt er eine verblüffende Farbwandlung, wenn er mit Licht und Luft in Kontakt kommt: Zunächst milchig weiß oder blassgelb, verfärbt er sich erst gelblich grün, dann dunkelgrün und hellblau, um schließlich die typische dunkelrote bis schwarzviolette Farbe anzunehmen. Chemisch ist Purpur 6,6-Dibromindigo und daher mit Indigo verwandt, ebenfalls einem der ältesten Textilfarbstoffe. Doch um tatsächlich Stoffe mit Purpur färben zu können, bedarf es einer hochkomplizierten Prozedur.
Das Färbeverfahren für die extrem teuren, in der Antike römischen Herrschern und Senatoren vorbehaltenen Stoffe war überaus kompliziert und ist heute nur ansatzweise nachvollziehbar. Über die Herstellung berichtet schon Plinius der Ältere in seinen Schriften aus dem 1. Jahrhundert nach Christus. Zunächst mussten unzählige Purpurschnecken gesammelt werden, was damals die für die Färberei zur Verfügung stehenden Arten wohl an den Rand der Ausrottung trieb. Für nur ein Gramm der fertigen Farbe mussten Schätzungen zufolge mehr als 8.000 Tiere ihr Leben lassen. Nicht überraschend also, dass Purpur bis heute - auch wenn er kaum noch verwendet wird - eines der teuersten Pigmente schlechthin ist. So ist Purpur beispielsweise in Deutschland für 2.050 Euro das Gramm im Handel.
Der Name Purpur sagt im Grunde nur etwas über das Färbeverfahren aus, nicht über die Farbe an sich. Nicht immer ist es das typische Tiefrot, das am Ende des Prozesses steht. Es gibt ebenso grünen, blauen, violetten oder schwarzen Purpur. Welche Farbe am Ende herauskommt, hängt unter anderem davon ab, welcher Schneckenart man sich bedient, ob es Männchen oder Weibchen sind, wie sie sich ernährt haben und wie lange bestimmte Abschnitte des Färbeprozesses dauern.
Die Schnecken wurden entweder zerquetscht, oder es wurde ihr Gehäuse zerbrochen, die Drüsen entnommen und in Salzwasser gegeben. Der dabei gewonnene Schneckencocktail wurde mit Urin eingekocht und nach einigen Tagen abgeseiht. Die Stoffe konnten dann in diesen Sud eingetaucht werden. Das eigentliche Purpur entwickelte sich aber erst am Licht, im Laufe einer Enzymreaktion. Während dieser Prozedur kam es zu einer ungeheuren Geruchsbelästigung. Deshalb lagen die Färbereien auch ein Stück außerhalb, so dass der bestialische Verwesungsgestank hinaus aufs Meer zog und nicht in die Stadt.
Doch nicht immer mussten die Meeresschnecken für die Farbe sterben. Im Gegensatz zu den alten Phöniziern hatten die Mixteken in Mittelamerika ein Verfahren zur Purpurgewinnung entwickelt, bei dem sie die Tiere nicht töteten. Diese Technik hat sich bis heute überliefert, wie die Journalistin Victoria Finlay in ihrem Buch "Das Geheimnis der Farben" berichtet. Die Färber nehmen die Meeresschnecken, melken sie und setzen die Tiere dann zurück auf ihren Felsen. Einige Zeit später können sie dann erneut gemolken werden.