24.09.2008
Wie die Farbe in den (Zucht-)Lachs kommt
Fischmehl als Nahrungsgrundlage lässt Lachs grau erscheinen, doch grauer Lachs verkauft sich nicht
Seine rötliche Farbe ist nicht nur eine der auffälligsten Eigenschaften von Lachs, sondern sie ist auch eine Notwendigkeit, wenn man den Fisch lukrativ an den Mann bringen will. Wer würde schon grauen Lachs kaufen wollen? So ziemlich niemand, haben Verbraucherumfragen ergeben. Doch Lachs, der in Aquakultur gezüchtet und mit Fischmehl gefüttert wird, hat in der Tat nur gräuliches Fleisch vorzuweisen. Das vertraute Lachsrot gewinnt der Fisch erst mit der Zufütterung rötlicher Pigmente. Wie tiefrot das Fleisch am Ende sein soll, kann sich der Züchter anhand einer speziellen Farbpalette, dem so genannten "SalmoFan", aussuchen.
Ein sattes Rot: So möchte der Verbraucher Lachs haben – doch bei Tieren aus Aquakulturen funktioniert das nicht. Foto: Mario Heinemann, pixelio.de
Ähnlich einer Farbpalette, mit der man sich die Wandfarbe fürs neue Wohnzimmer aussucht, hat der SalmoFan 15 nummerierte Felder, auf denen Lachsrot in verschiedenen Farbtiefen zu sehen ist — von einer blässlichen 20 bis zu einer tiefroten 34. Je nach gewünschter Nuance muss der Züchter der Fischnahrung entweder mehr oder weniger Pigmente beimischen. Da der Farbstoff, der in der Lachszucht verwendet wird, bis zu zwanzig Prozent des Gesamtfutterpreises ausmachen kann, legen Züchter wert darauf, nicht mehr als nötig von dem kostbaren Pigment einzusetzen.
Das Färbemittel, das in der Lachs-Aquakultur am häufigsten verwendet wird, ist ein Carotinoid mit Namen Astaxanthin. Es ist das gleiche Pigment, das auch dem Wildlachs seine typische rötliche Farbe verleiht: Es macht mehr als neunzig Prozent des Carotinoidgehalts der Fische aus. Doch auch die wilden Verwandten des Zuchtlachses stellen den Farbstoff nicht selbst her, sondern nehmen ihn mit ihrer natürlichen Nahrung auf, die unter anderem aus kleinen Krebstierchen besteht.
Das charakteristische Rot gekochter Hummer und Shrimps ist auf dasselbe Astaxanthin zurückzuführen, das dem Lachs seine Farbe verleiht. Solange Krustentiere lebendig sind, ist das Farbmolekül jedoch an ein Protein gebunden, wodurch die Krebse bläulich erscheinen. Erst beim Kochen trennen sich Pigment und Protein, und Krabbe oder Hummer erscheinen "krebsrot". Doch selbst die Krustentiere stellen Astaxanthin nicht selbst her, sondern fressen mikroskopisch-kleine Algen, die im Meer die Hauptproduzenten des Farbstoffs sind.
Würde der Zuchtlachs mit seiner gewohnten Kost versorgt, so wäre die Pigmentierung für ihn kein Problem. Doch das Fischmehl, mit dem er sich in der Aquakultur begnügen muss, enthält so gut wie keine Krustazeen, weshalb ihm die natürlichen rötlichen Pigmente fehlen. Es geht ihm da ähnlich wie den Flamingos im Zoo, denen ebenfalls Farbstoff zugefüttert wird, damit sie nicht ausbleichen.
Der Großteil des Astaxanthins, das in der Lachszucht verwendet wird, ist aus synthetischer Herstellung. In der Europäischen Union gilt es als Lebensmittelzusatzstoff und läuft unter der Kennnummer E161. Während in der EU bisher nur die synthetische Variante für die Aquakultur zugelassen ist, dürfen Züchter in den USA auch "natürliches" Astaxanthin verwenden, das direkt aus Algen oder aus einer roten Hefe gewonnen wird. Doch auch in Deutschland ist die biologische Version des Pigments erhältlich, denn der Farbstoff gilt als einer der stärksten bekannten Antioxidantien.
Das Geschäft mit dem Astaxanthin ist lukrativ: Das Kilo kostet rund 1.500 Euro, und weltweit geht inzwischen mehr Zuchtlachs als Wildlachs über die Ladentheke, mit steigender Tendenz. Auch müssen die Konzerne, die das Pigment kommerziell herstellen, offenbar keine Ermüdung auf Seiten des Konsumenten fürchten. Im Gegenteil — Verbraucherumfragen haben ergeben, dass Käufer bereit sind, für dunkelroten Lachs tiefer in die Tasche zu greifen, obwohl die Farbintensität weder mit Geschmack noch Frische des Fisches zu tun hat. Und farblosen Lachs, das heißt Fisch mit einer Farbintensität unterhalb der 23 auf dem SalmoFan, verweigert der Kunde mit der gleichen Vehemenz, mit der er die farblose Cola schmähte.
Selbst wenn der Käufer über die Herkunft der Farbe im Zuchtlachs in Kenntnis gesetzt wird, ändert sich seine Grundhaltung nicht: je dunkler der Fisch, desto mehr darf er kosten. Dies gilt zumindest so lange, wie die Farbtiefe zwischen einer 23 und einer 27 auf dem SalmoFan variiert, sich also im "Normalbereich" befindet. Lediglich für Lachse, deren Schattierung darüber hinaus intensiviert wurde, will Otto Normalverbraucher keinen Aufschlag mehr zahlen, wenn er über den Ursprung der Farbe Bescheid weiß. (cs)