30.07.2014
Rote Kobolde, Elfen und "Blue Jets"
Atmosphärenforscher entdecken in Gewittern immer mehr Farbphänomene
Es ist ein kleines Häuflein von Enthusiasten, die immer dann in Stellung gehen, wenn in der Ferne ein Gewitter aufzieht: Bewaffnet mit Videokameras halten sie das Geschehen am Himmel fest – in der Hoffnung, Phänomene einzufangen, die bisher nur wenige Fotografen festgehalten haben: Rote Kobolde, "Blue Jets" oder Elfen. Von diesen Lichterscheinungen ist erst seit wenigen Jahren sicher bekannt, dass sie überhaupt existieren.
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"Sprites" nennen amerikanische Atmosphärenforscher diese sogenannten Megablitze, die bei Gewittern entstehen können. Der Name hat keineswegs etwas mit Erfrischungsgetränken zu tun, sondern leitet sich vom Kobold Puck aus William Shakespeares "Sommernachtstraum" ab. Dieser Geselle führt ein unstetes und flüchtiges Leben, erscheint mal hier und mal da, ist oft unsichtbar, und verschwindet – so er sich doch einmal zeigt – so schnell wieder, wie er gekommen ist. Genau dies tun auch die farbigen Blitze.
Der Begriff "Megablitz" ist irreführend in diesem Zusammenhang: Denn riesig ist nur die Ausdehnung, nicht aber die Dauer und Helligkeit der Blitze. Bis hinauf in Höhen von neunzig Kilometern, so schätzen Wissenschaftler, reichen die Leuchterscheinungen, doch im Vergleich zu einem gewöhnlichen Blitz, der von Wolke zu Wolke oder von einer Wolke zur Erde reicht, haben Sprites eine viel, viel geringere Helligkeit.
Vor den Blicken der Menschen verborgen bleiben sie jedoch auch aus einem anderen Grund: Sie bewegen sich von den Gewitterwolken nach oben, sind also gar nicht zu sehen, wenn sich der Betrachter unter einer Gewitterzelle befindet. Anders sieht es aus, wenn das Gewitter viele Kilometer entfernt ist: Dann haben auch Amateure auf der Erde die Chance, einen Sprite zu beobachten, allerdings fast nur mit einer Videokamera, denn die Roten Kobolde und Elfen sind häufig von so kurzer Dauer, dass das Auge die farbigen Phänomene gar nicht wahrnehmen kann. Sie treten erst zutage, wenn die Videosequenzen in Einzelbilder zerlegt werden.
Am besten sind die Beobachtungschancen von einem sehr hoch fliegenden Flugzeug aus, mit dem man sozusagen auf Augenhöhe mit dem Gewitter ist. Piloten waren denn auch die ersten, die von den Farbphänomenen am Himmel berichteten und damit oft nur auf ungläubiges Kopfschütteln stießen.
Erst als am 6. Juli 1989 zufällig beim Abfilmen eines Raketenstarts das ersten Foto eines Sprites entstand, begannen Wissenschaftler, das Phänomen genauer zu untersuchen. Von Flugzeugen, der amerikanischen Raumfähre Space Shuttle und schließlich auch von der Internationalen Raumstation ISS aus hielten sie zahlreiche Ereignisse auf Video fest und so zeigte sich die farbige Vielfalt der Lichterscheinungen. Das häufigste Phänomen sind dabei die Roten Kobolde: Sie schießen aus der Wolke heraus nach oben und bilden zahlreiche Verästelungen. Manchmal gibt es dabei auch kaskadenartige Bewegungen nach unten, die aussehen wie rote Wasserfälle. Die Roten Kobolde erreichen Ausdehnungen von bis zu fünfzig Kilometern.
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Rot schimmern auch die Elfen, die manchmal als Begleitung der Roten Kobolde auftreten und sich in Höhen von über sechzig Kilometern aufhalten. Sie sind ringförmig und können Ausdehnungen von vierhundert Kilometern erreichen. Doch auch sie sind von so kurzer Dauer – typischerweise nur eine tausendstel Sekunde – und so lichtschwach, dass sie ohne Hilfsmittel nicht zu sehen sind.
Kleinräumiger, aber oft auch heller sind hingegen die "Blue Jets": Die blauen Blitzentladungen schießen aus Gewitterwolken empor und haben dabei mit nur wenigen Kilometern Durchmesser vergleichsweise geringe Ausdehnungen. Ihr Licht ist blau, kann aber in der Nähe der Wolke, wo die Energie am größten ist, sogar ins Weißliche gehen.
Auch wenn unter Atmosphärenforschern die Begeisterung für die lange unbekannten Leuchtphänomene groß ist: Unklarheit herrscht bisher noch darüber, wie die Elfen, Kobolde und Jets genau entstehen. Eine zentrale Bedeutung dürften die starken elektrischen Felder haben, die sich an Gewitterwolken bilden: Diese regen Elektronen an, die schließlich Stickstoff- und andere Moleküle in der hier bereits extrem dünnen Atmosphäre zum Leuchten bringen. (ud)